Zwei junge Mädchen sitzen auf der Straße und unterhalten sich.

Ann-Cathrin Beermann, NQZ und Dr. Margareta Büning-Fesel, BZfE

Quelle: pixabay © Pezibear

Im Gespräch mit Ann-Cathrin Beermann, Leiterin des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule (NQZ) und Dr. Margareta Büning-Fesel, Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE). Das Interview wurde im September 2022 geführt.

Das NQZ verantwortet innerhalb des Bundeszentrums für Ernährung den Auf- und Ausbau von Netzwerken im Kontext der Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen. Im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes wurden die Aktivitäten auf das Setting Kindertagespflege ausgeweitet.

Warum sind Netzwerke so wichtig für die Qualitätsentwicklung der Verpflegung von Kindern und Jugendlichen?

Ann-Cathrin Beermann:

Wir sprechen über alle politischen Ebenen und Gremien hinweg, von Bund, Ländern bis hin zu den Kommunen mit den beteiligten Akteuren, um vielfältige Stimmen zu hören und zu verstärken. Beim Aufbau neuer Netzwerke geht es zunächst vor allem darum, die Potenziale der gemeinsamen Zusammenarbeit auszuloten. Wir sehen immer wieder, wie bedeutsam ein interdisziplinärer Austausch ist. Auch über Hürden in der Umsetzung zu diskutieren, über die auch andere schon gestolpert sind, erzeugt einen großen Mehrwert. So können alle voneinander lernen. Die positiven Effekte einer solchen Zusammenarbeit lassen sich nur schwierig wissenschaftlich messen, sie sind aber offenkundig. Dass die Akteure zusammenkommen, ist ein erster wichtiger Schritt zur Qualitätsentwicklung. Es ist gerade die Sensibilisierung und Bewusstwerdung für eine Problematik, die eine Grundlage für die Entwicklung einer Lösung schafft. Umso mehr freuen wir uns, dass wir auch unsere Aktivitäten im Rahmen des Gute-Kita-Gesetzes im BZfE verstetigen können und nicht in abgegrenzten Zeiträumen denken müssen. Das bietet für uns und unsere Netzwerkpartner eine langfristige Perspektive und die Möglichkeit, auch dauerhafte Lösungen zu erarbeiten.

Wie wird das Gute-KiTa-Netzwerk im BZfE verankert?

Dr. Margareta Büning-Fesel:

Es ist sehr schön, dass der Bereich Kindertagesbetreuung personell und fachlich dauerhaft im NQZ als auch im BZfE-Referat Ernährungsbildung verankert und gestärkt wurde. Damit bedienen wir als BZfE einen weiteren wichtigen Bereich, um bereits früh grundlegende Ernährungskompetenzen zu vermitteln und zu fördern.

 

Ann-Cathrin Beermann:

Das NQZ wird die Netzwerkarbeit auch weiter prägen und ich sehe uns nach wie vor in einer führenden Rolle im engen Austausch und unter Einbindung der Vernetzungsstellen. Das Thema Ernährungsbildung wird nun jedoch federführend von den Kolleg*innen aus dem Referat Ernährungsbildung übernommen, um die bedarfsgerechte Aufbereitung von Informationen für die Zielgruppe der Lehrenden und pädagogischen Fachkräfte zu gewährleisten. So erhoffen wir uns eine größtmögliche Wirkung unserer Netzwerkarbeit.

Auf welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie sich konzentrieren?

Dr. Margareta Büning-Fesel:

Durch die Arbeit im Gute-KiTa-Netzwerk konnten wir eine stärkere Verknüpfung zur Ernährungsbildung schaffen. Ernährungsbildung findet vor allem informell im Alltag statt. Auch in der Schule geht es ja nicht nur darum, das im Unterricht aufzugreifen, sondern Kinder und Jugendliche lernen viel zum Essen und Trinken in der Mensa oder auf dem Pausenhof. Wir wollen künftig daran arbeiten, dass die Bedeutung der Ernährungsbildung auch jenseits der formalen Bildung gestärkt wird. In Kitas wird es darum gehen, wie das Essen angeboten und begleitet wird und wie die Kinder essen lernen. Ziel ist es, dass Kita-Fachkräfte um die Bedeutung des Themas wissen und darüber in ihrer Ausbildung viel mehr erfahren. Das ist mir besonders wichtig, dass die gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährung in der Fortbildung von Erzieher*innen ein festes Element wird.

Ann-Cathrin Beermann:

Ein wichtiges Ergebnis ist, dass wir mit der Kindertagespflege neben der Kita- und Schulverpflegung eine weitere Säule gesetzt haben. Wir sehen, dass das Setting nicht einfach unter Kita subsummiert werden kann, sondern eigenständig unter anderen Rahmenbedingungen mit eigenen Bedarfen gesehen werden muss. Diese Status-Quo-Analyse und die Bedarfsdefinition war ein wichtiger erster Schritt, ebenso wie die Akteurs-, Bedarfs- und Situationsanalyse. Darauf aufbauend werden wir nun gezielte Unterstützungsmaßnahmen entwickeln und die Netzwerkarbeit fortsetzen. Denn damit die Maßnahmen wirken können, ist ein funktionierendes Netzwerk besonders wichtig.

Was ist notwendig, um erfolgreich aufgebaute Netzwerkstrukturen auch langfristig am Leben zu erhalten?

Dr. Margareta Büning-Fesel:

Zuerst sicherlich weiterhin der Austausch der Netzwerk-Akteure. Es ist wichtig, dass sie dazu regelmäßig die Gelegenheit haben. Neben den Erhebungen von Informations- und Unterstützungsbedarf steht dabei auch die Unterstützung der Akteure bei der Umsetzung von Maßnahmen im Vordergrund. Unsere Funktion ist dabei die einer zentralen Anlaufstelle, die Ressourcen bündelt und Erkenntnisgewinne weitergibt. Wir möchten dabei vor allem die strukturell Verantwortlichen erreichen und uns als Drehscheibe oder Informationsplattform verstehen, um die Informationen in die Länder zu tragen.

Frau Büning-Fesel, mit Blick auf die Verpflegung in Kindertagesbetreuung und Schulen in Deutschland: Was ist Ihre Zukunftsvision?

Dr. Margareta Büning-Fesel:

Wir haben im Moment eine Reihe von Krisen und Problemen, die alle Kitas und Schulen betreffen. So haben wir es mit einem eklatanten Fachkräftemangel zu tun. Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule müssen wir schauen, ob wir dann dafür auch genügend Personal haben werden. Diese Herausforderung sehen wir ebenfalls im Kitabereich. Für Kitas ist es schwierig, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. Die Mitarbeitenden sind teilweise so belastet mit den alltäglichen Aufgaben, dass sie es oft nicht schaffen, eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Verpflegung gut mit zu begleiten. Dabei hat das Wohlbefinden der Kinder und der Erzieher*innen auch ganz viel mit einer guten Verpflegung zu tun. Eine gute Ernährungsumgebung trägt zu einer guten Arbeitsatmosphäre bei. Was wir uns immer klarmachen müssen: Die Geschmacksprägung und die grundsätzliche Weichenstellung für Ernährung und Gesundheit erfolgen in den ersten Lebensjahren. Ein Kind, das jeden Tag in Kita und Schule geht und dort jeden Tag verpflegt wird, hat eine ganze Menge Gelegenheiten, eine gute Verpflegung zu genießen. Und diese guten Gelegenheiten müssen wir nutzen. Von daher muss auch betont werden, dass die Bedeutung einer guten und nachhaltigen Ernährung schon beginnend mit der Ausbildung der Erzieher*innen im Kitaalltag verankert werden muss. Die Verantwortung auch dafür muss deutlich werden, beginnend bei der erzieherischen Qualifikation, bis hin zur Förderung der Kinder und ihrer Familien auch mit Blick auf die Ernährungsbildung. Aus meiner Sicht ist das eine mit anderen Bildungsaufgaben gleichwertige Anforderung. Und da besteht nach meiner Einschätzung noch einiges an Nachholbedarf. Ich wünsche mir, dass eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Verpflegung von allen Akteuren als etwas Selbstverständliches angenommen wird, was wir uns leisten wollen und können. Dafür brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen auch angesichts der aktuellen Krisen. Denn eine gute und nachhaltige Ernährung ist eine Investition in die Zukunft.

Frau Beermann, Sie haben jüngst die Leitung des NQZ übernommen. Welche Schwerpunkte werden Sie in Ihrer Arbeit setzen?

Ann-Cathrin Beermann:

Die Themen Ernährung und Kommunikation sind im NQZ bereits mit großer Expertise abgedeckt. Ich darf nun als Politikwissenschaftlerin eine weitere Facette mit einbringen. Ich komme aus der Politikberatung, deswegen ist mein Blick auf die Welt eher systemisch. Die Gemeinschaftsverpflegung in KiTa und Schule ist für viele Politikfelder relevant: die Agrar- und Ernährungspolitik, Sozialpolitik, Bildungspolitik und Umweltpolitik. Die Synergien, die sich daraus ergeben, würde ich gerne nutzen. Ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, ist die Ernährungsarmut. Es wäre interessant zu schauen, was etwa die Kitaverpflegung für armutsgefährdete Familien bedeutet. Hier ist die spannende Frage, wie Ernährung ausgestaltet sein müsste, damit gerade vulnerable Gruppen wie Kinder mit besonderen Bedarfen gut unterstützt werden. Und das betrifft dann nicht nur die Ernährung, sondern auch ihre soziale Erfahrung, die sie mit den Mahlzeiten in den Betreuungseinrichtungen machen. Diesen Blick möchte ich mit einbringen und vielleicht noch weitere Akteure aus dem umwelt- oder sozialpolitischen Kontext gewinnen. Das ist eine schöne Aufgabe, die ich mit auf den Weg bekommen habe.

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