Wir sprachen mit Fabian Schön, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Das Interview fand im Oktober 2024 statt.
Wie wichtig ist Schulverpflegung in der Arbeit der Bundeschülerkonferenz?
Grundsätzlich möchte ich voranstellen, dass wir in der Bundesschülerkonferenz Themen nicht priorisieren. Es gibt sehr viele Probleme, die alle gelöst werden müssen. Schulessen ist auf jeden Fall eines davon. Schulverpflegung gehört zum Umfeld einer jeden Schülerin und eines jeden Schülers dazu. Wenn das Schulessen schlecht ist, dann sind auch die Schüler*innen unzufrieden mit ihrem Tag und verlieren die Lust an Schule. Deshalb muss Schulverpflegung attraktiv sein.
Wie schaffen Sie dafür Aufmerksamkeit?
In unserer Arbeit als Bundesschülerkonferenz spielt Schulverpflegung eine große Rolle. Wir haben 2022 eine Plenartagung veranstaltet, auf der wir uns intensiv mit dieser Problematik beschäftigt haben. Die Plenartagungen sind unsere beschlussfähigen Tagungen, zu denen alle Delegationen der Mitgliedsländer der Bundesschülerkonferenz zusammenkommen, um Beschlüsse zu aktuellen oder generellen Themen zu fassen. Wir sehen insgesamt, dass Schulverpflegung in der Öffentlichkeit immer mehr Aufmerksamkeit erhält, weil die Problematik größer wird. Das betrifft insbesondere die Preisentwicklung und die Qualität der Schulmahlzeiten.
Was spiegeln Ihnen die Landesschülervertretungen zurück?
Da geht es ganz klar um die Preisentwicklung. Schulessen kostet mittlerweile 5 bis 7 Euro, hohe Preise sind keine Seltenheit mehr. Bei einer Familie mit zwei oder drei Kindern kommen da schnell 200 bis 300 Euro pro Monat zusammen. Das können sich Familien mit niedrigem oder mittleren sozio-ökonomischen Status nicht leisten. Ich selbst habe an meiner Schule in den vergangenen Jahren eine rasante Preisentwicklung erlebt. Wir sind mal mit 3 Euro gestartet, liegen jetzt bei 5 Euro und die kommende Ausschreibung liegt bei über 5 Euro.
Wie sieht es mit der Qualität der Schulmahlzeiten aus?
Tatsächlich hören wir, dass mit den Preissteigerungen vielfach die Qualität gleichbleibend schlecht bleibt oder sogar schlechter wird. Ich glaube, dass dieser Qualitätsverlust ein Grund dafür ist, dass Schulverpflegung als Thema in der Öffentlichkeit wieder präsenter geworden ist. Bei den Schüler*innen bekommt das jedenfalls viel Aufmerksamkeit, wenn Fotos mit unattraktivem Essen in schulischen Gremien geteilt werden.
Was muss sich ändern und was sind Ihre Forderungen?
Schulverpflegung muss für alle bezahlbar sein. Wir fordern deshalb eine Subventionierung der Schulmahlzeiten vor allem für Familien mit niedrigem sozio-ökonomischen Status, aber insgesamt eine Preisobergrenze für alle. Dies muss auf Bundesebene festgelegt werden und für alle gleich sein. Gleichzeitig darf natürlich die Qualität der Schulmahlzeiten nicht leiden. Schulverpflegung muss hochwertig, nachhaltig und regional sein und natürlich muss sie gut schmecken. Der gute Geschmack ist ein sehr wichtiger Aspekt. Diesen inhaltlichen Beschluss haben wir mit allen Landesschülervertretungen zur Schulverpflegung verabschiedet.
Wie sieht denn eine Schulverpflegung aus, die sowohl jüngeren als auch älteren Schülerinnen und Schülern schmeckt?
Natürlich kann man es nie allen recht machen, es wird immer Speisen geben, die Einzelnen nicht schmecken. Ich bin aber überzeugt, dass sich die meisten Geschmäcker über ein besonders vielfältiges Angebot berücksichtigen lassen, das jeden und jede erreicht. Es darf eben nicht jede Woche den gleichen Essensplan geben, es braucht eine gewisse Abwechslung und Angebotsform, um alle anzusprechen. Für ältere Schüler*innen wäre zum Beispiel ein Snack-Angebot gut, um mit dem Döner um die Ecke konkurrenzfähig zu bleiben und die Schüler*innen in der Schule zu halten.
Stichwort Imbiss um die Ecke: Ist gesund, nachhaltig und lecker aus Sicht der Schüler*innen ein Widerspruch?
Ich glaube nicht, dass das ein Widerspruch ist. Schüler*innen wünschen sich häufig Pizza oder Pasta, weil die Alternativen einfach nicht gut sind. Wenn gesundes Essen auf dem Teller schlecht aussieht, dann will ich natürlich lieber eine Pizza. Es ist total wichtig, dass gesundes Essen auch lecker zubereitet und attraktiv angerichtet wird, um alle auf den Geschmack zu bringen. Außerdem sagen wir als Bundesschülerkonferenz, dass es in der Schule Aufklärung und Bildung dazu braucht, was eine gesunde Ernährung überhaupt ist, was Regionalität und Saisonalität bedeutet und wie Lebensmittel produziert werden. Das schließt Bildung zu Vegetarismus ein, denn wir müssen Alternativen zur herkömmlichen Ernährung kennen. Diese Aspekte können gut in den Schulalltag eingebaut oder in den naturwissenschaftlichen Fächern thematisiert werden. Ich glaube, wenn Aufklärung stattfindet, dann können sich vermeintliche Widersprüche bei vielen Schüler*innen auflösen.
Was ist Schüler*innen bei der Angebotsgestaltung wichtig?
Schülerinnen und Schüler müssen unbedingt einbezogen werden. Ich habe diese Einbindung an meiner Schule ein bisschen erkämpft, einerseits gemeinsam mit der Schulleitung, andererseits gegenüber dem Essensanbieter. Wir durften am Ende auf die Speisepläne Einfluss nehmen und unsere Wünsche umsetzen. Der zweite Punkt ist, dass es schon bei dem schulischen Umfeld für das Mittagessen anfängt. Die Atmosphäre muss ähnlich sein, als würde ich zuhause essen oder sogar in einem Restaurant. Bröckelnde Wände oder Abfallbehälter direkt neben der Essensausgabe sind einfach nicht einladend. Es sind oft Kleinigkeiten, die aber sehr viel bewirken können und die Lust auf die Mensa negativ oder positiv beeinflussen. Man könnte jetzt schon sehr viel machen, ohne dass unbedingt viel Geld in die Hand genommen werden muss.
Wie haben Sie den Prozess der Mitwirkung an Ihrer Schule gestartet?
Wir haben aus dem Kreis aller Klassensprecher*innen eine Essenskommission gebildet und sind an die Schulleitung herangetreten. Wir konnten als schulisches Gremium erreichen, an der Ausschreibung für Schulverpflegung mitzuwirken und Ausschreibungskriterien mitzugestalten. Wir haben uns anschließend monatlich getroffen, um mit der Schulleitung und dem Essensanbieter Feedback zur Qualität zu klären. Und unsere Rückmeldung wird wirklich angenommen und umgesetzt, das ist entscheidend. Ich halte die Mitwirkung und Kommunikation auf und zwischen allen Ebenen für zentral. Wir haben an unserer Schule jetzt sogar eine Salatbar, deren Anschaffung aus dem Gremiun heraus entschieden wurde.
Wie können die Mitwirkungsrechte von Schüler und Schülerinnen gestärkt werden?
Ich halte ein Essensgremium für eine sehr gute Möglichkeit der Schülermitbestimmung. Das ist für jede Schule hilfreich und wichtig. Auch Umfragen unter der gesamten Schüler*innenschaft sind wichtig, heutzutage natürlich digital. Also einfach mal in allen Klassen zu fragen, was wollt Ihr haben, was schmeckt Euch am besten und was stört Euch? Das Feedback muss dann an alle Verantwortlichen getragen werden. Es darf aber nicht auf Schulebene bleiben, sondern es braucht Schülerräte auch auf kommunaler Ebene oder auf Kreisebene, die dort mitentscheiden, wie Schulverpflegung angeboten wird. Es gibt ja bereits kommunale Gremien, für die rein rechtlich eine Einbindung von Schülervertretungen vorgesehen ist. Für uns ist aber die Frage, ob über diese rechtlichen Möglichkeiten hinaus die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern wirklich gewünscht und gefördert wird. Da sind wir oft von einzelnen Personen in der Verwaltung oder in den Schulen abhängig. Wenn die Schüler*innen sich ihre Mitbestimmung erst erkämpfen müssen oder aus Unmut aktiv werden, dann ist es oft schon zu spät. Wir hören von Schulen, an denen Schüler*innen aus Frust eine Schülerfirma gegründet haben und selbst für ihr Mittagessen sorgen. Das sind Alarmglocken, die ganz laut läuten. Es liegt nicht in unserer Verantwortung, die Voraussetzungen für eine attraktive Schulverpflegung zu schaffen.