Drei Sanduhren nebeneinander als Stundenglas.
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Zu wenig Zeit für das Mittagessen

Quelle: pixabay © mdgrafik0

Eine Studie hat Pausendauer und Rahmenbedingungen für das Mittagessen an australischen Grundschulen untersucht. Die meisten Kinder haben nur 10 Minuten Zeit, ihr Mittagessen zu essen – mit Konsequenzen für ihr Ernährungsverhalten.

In einer Querschnittsstudie haben Wissenschaftler*innen die Rahmenbedingungen des Mittagessens an australischen Grundschulen untersucht. Ziel war es u.a. herauszufinden, ob die Pausenzeit zum Essen ausreichend ist. Im Fokus der qualitativen und quantitativen Auswertung stand ausschließlich die Perspektive von Eltern (n = 402) und Lehrkräften (n = 123); die Online-Befragung fand von August 2019 bis März 2020 statt.

Das Studienvorhaben entstand vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Ernährungssituation australischer Kinder. Hier verweisen die Wissenschaftler*innen auf Daten, nach denen die meisten Kinder im Alter zwischen 4 und 11 Jahren u.a. zu wenig Obst und Gemüse essen und zu viele gesüßte Softgetränke zu sich nehmen. Damit Kinder ein gesundheitsförderliches Ernährungsverhalten erwerben können, spielen auch die Rahmenbedingungen für die Schulmahlzeiten eine wichtige Rolle, so die Forscher*innen.

Organisation der Schulverpflegung in Australien

Die meisten australischen Schulkinder bringen ihre Schulverpflegung von zuhause mit (lunch boxes). Im föderal organisierten Australien haben alle Staaten und Territorien Schulverpflegungsrichtlinien aufgelegt, die überwiegend ein „Ampel-System“ für die Kategorisierung gesundheitsförderlicher bzw. nicht empfehlenswerter Speisen nutzen. Weitere Empfehlungen für die Verpflegung in Grundschulen lauten lediglich dahingehend, dass die Lebensmittelauswahl nährstoffreich sein soll.

Pausendauer

Fast zwei Drittel der Befragten – jeweils Eltern und Lehrkräfte – gaben an, dass die Pausenzeit der Kinder für das Mittagessen 10 Minuten oder weniger beträgt. Als Pausenzeit definierte die Studie den Zeitraum, den die Schulen nur für das Mittagessen vorsehen (ohne Spielzeiten). Signifikant mehr Eltern (ca. 58 %) als Lehrkräfte (ca. 30 %) erachten diese Pausendauer als zu kurz. Die Studie zeigte, dass die Pausendauer einen großen Einfluss darauf hat, ob die Kinder ihre Mahlzeit angemessen beenden können. Etwa 45 % der Eltern gaben an, dass ihre Kinder nur manchmal oder nie das Mittagessen aufessen können. Je länger also die Pausenzeit, desto eher essen die Kinder die mitgebrachten Lebensmittel auch auf. Die qualitative Befragung zeigte, dass sich sehr viele Eltern eine Ausweitung der Pausenzeiten wünschen, die überwiegende Zahl der Lehrkräfte allerdings nicht. Die meisten Kinder essen ihr Mittagessen im Klassenraum.

Schlussfolgerungen

Die Autor*innen empfehlen, eine längere Pausenzeit zukünftig in Schulverpflegungsrichtlinien zu berücksichtigen. Es müsse Schüler*innen insgesamt und besonders jüngeren Kindern mehr Zeit zum Essen zugestanden werden, denn dies sei einer der Schlüsselfaktoren für eine gesunde Ernährung. Sie zeigten sich besorgt, dass viele Eltern die Lebensmittelauswahl für die Kinder an die kurze Pausendauer anpassten. Es sei darüber hinaus wahrscheinlich, dass Kinder die Lebensmittelwahl priorisierten, indem sie nur das aus ihrer lunch box essen, was sie am meisten anspricht und dafür nährstoffreichere Lebensmittel liegenlassen (z. B. Obst- und Gemüserohkost). Auch wenn der Schultag eine endliche Zeitressource sei, müsse eine gesunde Balance zwischen allen Anforderungen gefunden werden. Eine reine Essenszeit von mindestens 15 Minuten oder mehr halten die Autor*innen daher für angebracht.

Situation in Deutschland

In Deutschland hat der Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) starken Empfehlungscharakter für Schulträger und Schulen. Der Standard ist darüber hinaus in fünf Bundesländern verpflichtend vorgeschrieben. Der Qualitätsstandard berücksichtigt umfassend sowohl die Gestaltung einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigeren Verpflegung für Frühstück, Zwischenmahlzeiten und Mittagessen als auch die Rahmenbedingungen. In Deutschland ist auf Beschluss der Kultusministerkonferenz das Angebot eines Mittagessens in Ganztagsschulen verpflichtend vorgeschrieben.

Dauer der Mittagspause

Der DGE-Qualitätsstandard empfiehlt eine Mittagspause von 60 Minuten, damit Schüler*innen ohne Hektik den Speisenraum aufsuchen, an der Essensschlange anstehen, einen Sitzplatz finden und in Ruhe essen können. Wie viel Zeit Schüler*innen tatsächlich für ihr Mittagessen zur Verfügung steht, zeigt eine bundesweite Erhebung zur Qualität der Schulverpflegung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (2016). In 29 % der Schulen in Deutschland dauert die Pause zwischen 20 und 30 Minuten, in weiteren 32 % zwischen 31 und 45 Minuten. Nur in etwa 39 % der Schulen dauert die Mittagspause mehr als 45 Minuten, was der DGE-Empfehlung am ehesten entspricht. Laut der Ernährungsstudie EsKiMo II (2017) nehmen in Deutschland etwa 44 % der Grundschüler*innen nie am Mittagessen teil. Der häufigste Grund für eine seltene oder Nicht-Teilnahme ist ein warmes Mittag- oder Abendessen zuhause. Für einen Teil der Schüler*innen sind aber auch zu kurze Pausenzeiten und andere organisatorische Rahmenbedingungen für eine Teilnahme hinderlich (siehe Grafik).

Eine entspannte Essatmosphäre mit ausreichend Zeit ist einer von vielen Qualitätsfaktoren, mit denen der „Bildungsort Mahlzeit“ mit einem gesundheitsförderlichen und nachhaltigeren Speisenangebot sowohl zu einem gesunden Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen als auch zu ihrem positiven Ernährungslernen beitragen kann.

Quelle und weiterführende Informationen