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Adipositas bei Kindern ist „Stille Pandemie“

Quelle: pixabay.com © Vidmir Raic

Adipositas bei Kindern nimmt in der Corona-Pandemie schleichend aber stetig zu. Darauf weisen die AG Adipositas im Kindes- und Jugendalter der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und die Fachgesellschaft der Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland hin. Die Expert*innen fordern unter anderem ein kinderfreundlicheres Umfeld, zu dem auch besseres Schulessen gehört.

Adipositas bei Kindern gehört dringend auf die Agenda der Gesundheitspolitik – das mahnen die AG Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland (DGKJ) an.

„Wir dokumentieren in unseren Spezialsprechstunden Gewichtszunahmen von bis zu 30 Kilo in 6 Monaten – Einzelfälle, aber „Rekorde“ dieser Art mehren sich. Es gibt bei Kindern einen derart klaren Anstieg an Adipositas während des coronabedingten Lockdowns, dass wir hier von einer zweiten, einer „stillen Pandemie“, sprechen. Zudem beobachten wir bei Jugendlichen eine deutliche Zunahme der Neumanifestationen von Typ-2-Diabetes.“
AGA-Sprecherin PD Dr. Susann Weihrauch-Blüher

In den ambulanten Adipositas-Zentren der Kinderklinik Halle und des Sozialpädiatrischen Zentrums der Charité Universitätsmedizin Berlin seien im Vergleich zum Vorjahr bisher dreimal so viele neue Typ-2-Diabetes-Fälle bei Jugendlichen mit extremer Adipositas aufgetreten, so die Expert*innen. Schuldistanz, sozialer Rückzug und Depressionen hätten bei diesen Jugendlichen in gleichem Umfang zugenommen. Repräsentative Daten dazu erwarten die Experten und Expertinnen in der zweiten Jahreshälfte. 

Trendwende sei nicht in Sicht

Die in jüngster Zeit durch Corona eingeschränkten Bewegungs- und Sportmöglichkeiten, ein hoher Medienkonsum und fehlende Strukturen in Tagesablauf und Sozialleben würden oft als Ursache angeführt. „Der Beginn aber reicht wesentlich weiter zurück als die Corona-Pandemie“, betont DAG-Vizepräsidentin PD Dr. Susanna Wiegand. „Seit Jahren schon verlieren auch normalgewichtige Kinder Muskelmasse und bauen Körperfett auf. Dabei geht es nicht nur um das Körpergewicht, sondern um die gesamte Entwicklung. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.“ Die Mediziner*innen sehen bereits im jungen Alter zunehmend Erkrankungen, die sonst erst im Erwachsenenalter auftreten, wie ein Typ-2-Diabetes oder eine Fettleber. Die Anzahl der von Typ-2-Diabetes betroffenen Jugendlichen werde in Deutschland derzeit auf ca. 1.000 geschätzt, die Dunkelziffer sei  deutlich höher und insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie mit großer Wahrscheinlichkeit nochmal deutlich angestiegen.

Kindern schon früh den Erwerb von Ernährungskompetenz ermöglichen

Neben genetischer Disposition oder einem adipogenen Lebensstil der Familie könnten sich auch das Wohnumfeld und die Lebenswelt der Kinder auf deren Übergewicht auswirken. Daher fordern die Expert*innen ein kinderfreundlicheres Umfeld etwa durch attraktive Spielplätze, sichere und gute Schul- und Radwege oder besseres Schulessen. Um eine Trendwende zu erreichen, brauche es einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs sowie mutige Maßnahmen der Politik. Dazu gehöre unter anderem eine gut strukturierte Vermittlung von Ernährungskompetenz schon in der Kita.

Verbesserung der Schulverpflegung ist Präventionsmaßnahme

Die Fachgesellschaften nennen in ihren Leitlinien zur Therapie und Prävention der Adipositas im Kinders- und Jugendalter die Verbesserung der Schulverpflegung explizit als eine evidenzbasierte Präventionsmaßnahme.

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