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Vergabepraxis in Kommunen: Qualität rückt stärker in den Vordergrund

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Die Vergabepraxis hat direkten Einfluss auf Arbeitsbedingungen und auf die Qualität eingekaufter Dienstleistungen. Inwieweit die öffentliche Hand hierbei ein „guter Auftraggeber“ ist, haben Wissenschaftler*innen am Beispiel von fünf Kommunen untersucht, auch im Handlungsfeld Schulverpflegung.

Beim Einkauf von Dienstleistungen müssen öffentliche Auftraggeber vergaberechtliche Vorschriften beachten. Gleichzeitig steige der Anspruch an die Qualität der eingekauften Dienstleistungen, erklärt das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Öffentliche Auftraggeber würden zudem vor der Erwartung stehen, gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten beauftragter Firmen zu gewährleisten. Daher stellten die Wissenschaftler*innen Herausforderungen und Strategien einer sozialverantwortlichen Vergabepraxis in den Mittelpunkt eines Forschungsvorhabens.

Dienstleistungssegment Schulverpflegung Gegenstand der Fallstudie

Kernstück der empirischen Untersuchung waren je vier Fallstudien in fünf Kommunen (Januar 2017 bis März 2020) zur öffentlichen Auftragsvergabe in zwei Dienstleistungssegmenten: Schulverpflegung und Sicherheitsdienstleistungen für Flüchtlingsunterkünfte. Neben der Analyse kommunaler Vergabeunterlagen führten die Expert*innen außerdem leitfadengestützte Interviews u.a. mit Vertreter*innen von lokaler Politik und Verwaltung, lokalen Verbänden von Arbeitgebern und Gewerkschaften und beauftragten Firmen. Hinsichtlich der Repräsentativität der Untersuchung schränken die Autor*innen ein, dass es sich bei den ausgewählten Kommunen um Großstädte (über 200.000 Einwohner) handelt. Diese verfügten in der Regel über stärker professionalisierte Verwaltungsstäbe für die Auftragsvergabe.

Lernprozesse in den Kommunen: Qualität rückt mehr in den Vordergrund

Im Ergebnis der Untersuchung zeigt sich, dass in den untersuchten Kommunen die Qualität der Dienstleistung zunehmend in den Vordergrund rückt. Der Report habe schlaglichtartig Aushandlungs- und Lernprozesse der sozialverantwortlichen Vergabepraxis auf kommunaler Ebene gezeigt. In den genannten Dienstleistungssegmenten stellten die Autor*innen Entwicklungen fest, die weg von der Vergabe nach dem niedrigsten Preis führen: Verwaltungen orientieren sich stärker am Leitbild des „Guten Dienstleisters“ und der Qualität der staatlichen Dienstleistungen. Diese Qualitätswende führe dazu, dass dem Preiswettbewerb zugunsten des Qualitätswettbewerbs Schranken gesetzt würde. Das könne auch die sozialverantwortliche Auftragsvergabe begünstigen.

Widersprüchliche Effekte können zur Bremse werden

Die Qualitätswende kann nach Auffassung der Autor*innen aber auch zur Bremse für sozialverantwortliche Arbeit werden, etwa bei der Schulverpflegung. Qualitative Verbesserungen im Mahlzeitenangebot, wie z. B. ein Bio-Anteil, führten zu höheren Kosten; gleichzeitig sollen im Interesse der zahlenden Eltern allzu starke Preissteigerungen vermieden werden. Anstelle zusätzlicher Subventionen trete dann häufig ein Preisdeckel, an dem sich Anbieter orientieren müssten. „Ob sich damit angemessene Löhne refinanzieren lassen, spielt typischerweise keine Rolle“, resümiert Dr. Karen Jaehrling, Leiterin der Forschungsabteilung Flexibilität und Sicherheit beim IAQ. „Ergebnis sind weniger ‚Marktpreise‘ als vielmehr ‚Wunschpreise‘, und die bewegen sich recht weit unterhalb dessen, was von wissenschaftlicher Seite als auskömmlicher Preis ermittelt wurde.“

Nachholbedarf bei Professionalisierung der Auftragsvergabe

Insgesamt empfiehlt die Studie Reformen und mehr infrastrukturelle Unterstützung, denn in den genannten Dienstleistungssegmenten bestehe Nachholbedarf, was die Professionalisierung der Auftragsvergabe betrifft. Die administrativen Kapazitäten seien bei diesen standardisierten Leistungen vergleichsweise schwach ausgebaut und erst in jüngerer Zeit im Aufbau begriffen. Als Gestaltungsvorschlag nennen die Autor*innen unter anderem die Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums, das Vergabestellen beim sozial nachhaltigen Dienstleistungskauf unterstützt, analog zu den drei bereits existierenden Kompetenzzentren (Kompetenzstelle nachhaltige Beschaffung, Kompass Nachhaltigkeit, Kompetenzstelle innovative Beschaffung).

Quelle und weiterführende Informationen

  • Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen vom 18. Mai 2022: Der Billigste oder der Beste? IAQ untersuchte Vergabepraxis in Kommunen
     
  • Beratungs- und Unterstützungsangebot der Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung der Länder