Das Foto zeigt in Großaufnahme, wie ein Kind einen Löffel zum geöffneten Mund führt. Der Löffel ist mit einer zuckerreich dekorierten Süßspeise gefüllt, vor dem Kind steht das Dessertglas.
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Hoher kindlicher Zuckerverzehr: Negativer Einfluss bis ins Erwachsenenalter

Quelle: pixabay © coffee

Anfang der 1950er Jahre endete in Großbritannien die kriegsbedingt angeordnete Zuckerrationierung. Unmittelbar danach stiegen die Verkäufe von Süßigkeiten um mehr als das Doppelte an. Auf die Gesundheit und die Lebensbedingungen der Menschen 50 Jahre später hatte dies enorme Auswirkungen.

Das US-amerikanische National Bureau of Economic Research (NBER) hat den Einfluss eines hohen Zuckerverzehrs in Schwangerschaft und früher Kindheit auf Gesundheit, Einkommen und beruflichen Status im Erwachsenenalter untersucht. Dafür verglichen die Wissenschaftler*innen mithilfe statistischer Methoden (Regressions-Diskontinuitätsanalyse) entsprechende Parameter bei Menschen, die vor dem Ende der Zuckerrationierung geboren wurden (Geburtsjahrgänge 1950-53) mit denen von Menschen, die in den ersten Jahren danach geboren wurden (Geburtsjahrgänge 1955-1959). Für ihre Analyse nutzten die Fachleute Daten einer repräsentativen Längsschnittstudie (English Longitudinal Study of Ageing), die Zahlen zu den Lebensumständen der britischen Bevölkerung zur Verfügung stellt. Beide Geburtsjahrgangsgruppen wurden jeweils im Alter von 50 bis 65 Jahren untersucht.

Zuckerkonsum hat sich mehr als verdoppelt

Bis zum Ende der Rationierung 1953 lag der durchschnittliche Zuckerkonsum bei Kindern in Großbritannien bei unter 10 % der Gesamtenergiezufuhr. Dies entspricht im Wesentlichen der heutigen Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Kurz nach dem Ende der Rationierung hat sich der Zuckerkonsum bei Kindern mehr als verdoppelt, verbunden mit einer Verschlechterung der Zahngesundheit. Der Konsum anderer Lebensmittel blieb so gut wie unverändert.

Weitere zentrale Ergebnisse:

  • Die Prävalenz ernährungsmitbedingter Krankheiten ist signifikant höher in der Gruppe der Geburtsjahrgänge nach dem Ende der Rationierung. So ist der Anteil der Menschen mit Diabetes um 52 % höher, der Anteil der Menschen mit Adipositas (in der Studie beschrieben als Body-Mass-Index ≥ 35) um 40 %.
  • Mit Blick auf das Ernährungsverhalten hält die Studie fest, dass die Menschen auch mehr als 50 Jahre nach dem Ende der Rationierung deutlich mehr Zucker verzehren als diejenigen, die mit der Rationierung aufgewachsen sind (plus 22 % bzw. 11 g Zucker/Tag mehr).
  • Die Forscher*innen finden zudem Hinweise auf einen diskontinuierlichen Bruch im Kurvenverlauf zwischen den beiden Gruppen mit Blick auf Beruf und Einkommen bzw. auf allgemeine und wirtschaftliche Lebensverhältnisse, die sich u.a. in einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine qualifizierte Berufsausübung zeigt.

Frühe Prägung beeinflusst späteres Ernährungsverhalten

Angesichts des Forschungsdesigns und der Ergebnisse sehen die Wissenschaftler*innen einen hohen Zuckerkonsum in der Kindheit als einen wahrscheinlichen Einflussfaktor auf das spätere Ernährungsverhalten, den Gesundheitsstatus und die allgemeinen Lebensverhältnisse im Erwachsenenalter. Sie stellen außerdem fest, dass eine (früh-)kindliche zuckerreiche Ernährung die Höhe des Zuckerkonsums insgesamt während des gesamten Lebens erhöht. Diese Erkenntnis sehen sie im Einklang damit, dass sich lebenslang haltende Geschmacksvorlieben bereits früh in der Kindheit prägen. Wie im Gegenzug eine gesundheitsförderliche Ernährung in der Kindheit positive Langzeit-Effekte hervorbringt, konnten schwedische Forscher*innen darlegen: Kinder, die während ihrer gesamten Grundschulzeit an einer kostenlosen und an Ernährungsstandards orientierten Schulverpflegung teilnahmen, hatten ein um 3 % höheres Lebenseinkommen. Ein positiver Effekt zeigte sich auch hinsichtlich Bildungsniveau und Gesundheitsstatus im Erwachsenenalter.

Konsum fett- und zuckerreicher Lebensmittel verändert Gehirnaktivitäten dauerhaft

Forschende des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln konnten in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Yale University nachweisen, dass der regelmäßige Konsum von Lebensmitteln mit hohem Fett- und Zuckergehalt Einfluss auf Gehirnaktivitäten nimmt. In der Studie gaben die Forschenden einer Gruppe von Probanden über acht Wochen zusätzlich zu ihrem normalen Ernährungsplan pro Tag einen kleinen Pudding, der viel Fett und Zucker enthielt. Eine andere Gruppe erhielt einen Pudding mit wenig Fett und Zucker. Vor und während der acht Wochen wurde die Hirnaktivität der Probanden gemessen. Die Antwort des Gehirns auf fett- und zuckerreiche Nahrung war in der Gruppe, die den zucker- und fetthaltigen Pudding aßen, nach acht Wochen stark erhöht. Dabei wurde besonders die Region im Gehirn aktiviert, die für Motivation und Belohnung zuständig ist. Die Messungen hätten gezeigt, dass im Gehirn durch den Konsum dieser Lebensmittel neue Verbindungen geknüpft werden.

„Wir lernen unterbewusst, belohnendes Essen zu bevorzugen. Durch diese Veränderungen im Gehirn werden wir unbewusst immer die Lebensmittel präferieren, die viel Fett und Zucker enthalten. Diese Verbindungen lösen sich nicht so schnell wieder auf, denn es ist Sinn des Lernens, einmal erlernte Dinge nicht so schnell wieder zu vergessen.“
Mark Tittgemeyer, Studienleiter

Zusammengefasst zeigen alle Studien die hohe Bedeutsamkeit dafür auf, dass Kinder gesund aufwachsen und eine gesundheitsförderliche Ernährungskompetenz erwerben können.

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